Mit dem Senglarantrieb auf den Mont Ventoux und den Alpe d´Huez

von Andreas Hungele | 12.07.2013

Der Mont Ventoux bei der Vortour im April

Der Mont Ventoux bei der Vortour im April

Am Sonntag, 14. Juli 2013 ist die Tour de France nach einer längeren Pause (zuletzt 2009) wieder einmal am Mt. Ventoux.
Das erinnert mich an meinem Einsatz bei einem der ersten Bergrennen für Elektrofahrräder.
Im Jahr 2010 habe ich mit meinem Meta Commencal an einem Bergrennen am Mt. Ventoux und am Alpe d´Huez teilgenommen.
Dazu muss ich sagen, dass ich zum damaligen Zeitpunkt fast 35 Jahre nicht auf einem Fahrrad gesessen war. Ich war also vollständig untrainiert.

Die Technik meines Meta Commencal

Ich hatte mich trotzdem (oder erst recht) angemeldet, und bin dann die fast 900km von Weinheim nach Bédouin (natürlich mit dem Auto) gefahren
Der Wettbewerb war für Serienfahrräder mit Pedelecmotor (max. 250Watt und max. 25km/h) ausgeschrieben. Lustigerweise bestanden die Franzosen bei der Abnahme auf Speichen-Reflektoren und eine Fahrradklingel…
Gut, beides war kein Problem und ließ sich mit der Hilfe von ortsansässigen Fahrradhändlern lösen.
Da ich ja einen starken Senglarantrieb eingebaut hatte, machte ich mir über das Gewicht meines ziemlich schweren Meta Commencal zunächst keine Gedanken: Es wiegt schon ohne Elektroantrieb etwa 15kg.

Vor dem Start in Bédoin

Vor dem Start in Bédoin

Die maximale Akkukapazität war für die Wettbewerbe auf 18Ah beschränkt, also nahm ich zwei Akkus mit jeweils 9Ah mit, die ich im Rucksack unterbrachte.
Insgesamt wog das fahrfertige Rad mit den zwei Akkus etwa 22kg.
So gesehen war ich also mit einem ganz normalen Senglar-Pedelec unterwegs. Die einzige Anpassung war der Austausch der grobstolligen Geländereifen durch den Schwalbe Big Apple, der einen deutlich geringen Rollwiderstand hat.

Die Auffahrt zum Mont Ventoux

Bei bestem Wetter (jedenfalls unten in Bédoin) ging die Fahrt los.
Ziel war der Gipfel des Mt. Ventoux: Er liegt auf etwa 1.912m und etwa 22km vom Startpunkt entfernt. Zu überwinden waren dabei rund 1.600 Hm (Höhenmeter). Im Durchschnitt ergibt sich so eine Steigung von etwas über 7%. Dabei weisen die letzten 16km eine Steigung von 8,9% auf.

Kurz nach dem Start: Fahrer und Akku sind noch voller Energie

Kurz nach dem Start: Fahrer und Akku sind noch voller Energie

Ich hatte mich vorher über die Strecke und Fahrzeiten informiert, und bin dabei auf folgende Angaben gestoßen:
Trainierte Amateure: etwa 1:30h bis 2:30h (das entspricht einer Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 9 bis 16km/h). Ich kann das aus eigener Erfahrung bestätigen, ich habe bei späteren Fahrten ohne Motor etwa 8km/h erreicht…
Profi-Rennfahrer benötigen etwas weniger als eine Stunde (z.B. 2004 brauchte Iban Mayo etwa 56 min)
Da fragt man sich: Wie machen die das?
Um es vorweg zu nehmen: Ich brauchte mit dem Senglarantrieb 1:38h, das entspricht einem Schnitt von etwa 15km/h.
Die ersten etwa 20min fühlte ich mich durch den zunächst sanften Anstieg und die noch voll gefüllten Akkus fast unbesiegbar.
Auf dem Weg nach oben konnte ich einige gut trainierte holländische Amateurrennfahrer überholen, die mit etwa 12km/h unterwegs waren (was wirklich eine gute Leistung war). Ich hoffe, die haben mitbekommen, dass ich mit Motorunterstützung unterwegs war.

The man and the machine...

The man and the machine…


Nach etwa der Hälfte der Strecke musste ich den Akku wechseln, und habe dabei auch mir eine kleine Pause von etwa 5 min gegönnt.
Weiter ging´s…
Ab dem oberen Drittel des Aufstiegs zeigte sich die typische Ansicht des Mt. Ventoux: Die Mondlandschaft.
Gleichzeitig wurde auch das Wetter typisch für den Mt. Ventoux: Temperatursturz auf 8° C (von 23°C in Bédoin), sehr starker Wind (etwa 80km/h, in Böen sicher über 100km/h) und dichter Nebel.

Mont Ventoux: Und der Nebel kommt!

Mont Ventoux: Und der Nebel kommt!

Ich musste kräftebedingt (Fahrer, nicht Motor) mehrmals anhalten, und eine kleine Pause einlegen.
Wegen starkem Gegenwind und starker Steigung, musste ich mehrfach quer zur Straße anfahren…

Dichter Nebel, starker Anstieg und starker Wind

Dichter Nebel, starker Anstieg und starker Wind

Wegen des sehr dichten Nebels beschlug meine Sonnenbrille (unten war halt Sommer) und ich musste anhalten, um sie abzunehmen.

Und nun: Sehr dichter Nebel...

Und nun: Sehr dichter Nebel…

Leider wurde mir meine schöne Sonnenbrille durch den Wind aus der Hand gerissen und landete auf der Fahrbahn.
Wenige Sekunden später wurde sie dann das Opfer eines nachfolgenden Autos…
Egal, nach rund 1:38h war ich völlig erschöpft und ausgekühlt am Gipfel des Mt. Ventoux angekommen.

Völlig erschöpft, sehr glücklich (auch ohne Brille)!

Völlig erschöpft, sehr glücklich (auch ohne Brille)!

Nach der Fahrt

Als kleine Belohnung gab es unten in Bédoin eine Siegerehrung. Nicht für meine besonders schnelle Fahrt auf den Mont Ventoux, sondern nur für die längste Anfahrt.

Egal: Pokal, Plakette und ein paar Flaschen Wein haben mein Erlebnis perfekt abgerundet.

Das beste zum Schluß: Ein kleines Interview, Pokal und Wein!

Das beste zum Schluß: Ein kleines Interview, Pokal und Wein!

Mein Fazit

Ohne Unterstützung mit dem Senglarantrieb hätte ich mit eigener Kraft das Ziel niemals erreicht.

Fahrer und Fahrrad haben es auf den Mont Ventoux geschafft

Fahrer und Fahrrad haben es auf den Mont Ventoux geschafft

Auch heute noch ist diese Auffahrt eines der eindrucksvollsten Erlebnisse meines Lebens.
Da konnte auch meine Fahrt beim nächsten Bergrennen auf den Alpe d´Huez nicht mithalten, die vier Wochen später stattfand.
P.S.: Ich habe bei der beschriebenen Fahrt etwa 1.600Hm mit Motorunterstützung und großer Mühe zurückgelegt. Damit war ich an meine Grenzen gegangen.

So sehen Sieger aus! (auch wenn es nur ein persönlicher kleiner Sieg für mich war)

So sehen Sieger aus! (auch wenn es nur ein persönlicher kleiner Sieg für mich war)

Bei der Etappe am 14.7.2013 werden die Tour de France-Fahrer rund 5.350Hm mit „reiner“ Muskelkraft überwinden. Das zeigt, was man mit „gesunder Ernährung“ und etwas Training erreichen kann.